Vorträge

Die Normannen in Süditalien

Kurzfassung des am 21.Februar 2018 von Dr. Mathias Quast gehaltenen Vortrags

Der Kunst- und Architekturhistoriker Dr. Matthias Quast behandelte in seinem Vortrag vom 21. Februar 2018 den Einfluss der Normannen auf die Architektur in Süditalien im 11. und 12. Jahrhundert.



Die Geschichte der Normannen in Süditalien entwickelte sich in einer komplizierten Reihe ineinander verschlungener und doch sehr unterschiedlicher politischer und militärischer Vorgänge. Es war nicht Ziel des Vortrages, alles dies zu resümieren. Es sollten vielmehr die heute noch konkret erfahrbaren Zeugnisse, und das sind vor allem Sakralbauten des 11. und 12. Jahrhunderts, vor Augen geführt werden. Gleichwohl hier eine kurze historische Vorbemerkung. Die Normannen (Nord-Männer, Männer des Nordens, also Dänen, Schweden und Norweger) waren im 11. Jahrhundert längst keine blutrünstigen Eroberer mehr. Sie waren größtenteils in der Normandie sesshaft geworden und hatten den christlichen Glauben angenommen. Allerdings führte die erdrückende Feudalwirtschaft in der Normandie zu starken Migrationen, unter anderem auch ab 1015 in den Mittelmeerraum.


Dabei ist zunächst kein koordiniertes Vorgehen festzustellen. Man beobachtet sporadische militärische Aktionen und ganz unterschiedliche Bündnisse. Eine politische Strukturierung entwickelte sich erst in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts hatten die Normannen mit Ausnahme der päpstlichen Enklave Benevent und dem Herzogtum Neapel bereits den ganzen Süden Italiens erobert. Ihr unaufhaltsamer Aufstieg zur Macht lässt sich nicht allein aus ihrer militärischen Tüchtigkeit erklären. Sie verfügten auch über ein beträchtliches politisches Geschick: Sie verstanden es, sich die Loyalität der einheimischen Bevölkerung zu sichern. Bildung und Konsolidierung ihrer Herrschaft begleitet eine ebenso

rasche wie monumentale Neubestimmung der architektonischen Topographie. Sie verbanden die im Süden Italiens vorherrschenden antikisch, byzantinisch und arabisch geprägten Kunststile mit dem romanischen Stil, den sie aus Nord- und Mitteleuropa kannten.


All dies spiegelt sich in der Bautätigkeit wider, die sich parallel ab 1071 auf Sizilien und ab 1087 in Apulien entfaltet. Dabei nehmen die apulischen Sakralbauten insofern eine Sonderstellung ein, als die dem wichtigsten Nationalheiligen Nikolaus von Myra, Patron der Seefahrer und Kaufleute, geweihte, 1087 begonnene Basilika San Nicola dadurch, dass sie in den Resten des byzantinischen Katapanspalastes errichtet wurde und vorhandene Strukturen in den Neubau miteinbezieht, eine eigenartige Grundrißtypologie entwirft, welche sich unmittelbar in den Nachfolgebauten niederschlägt. Dazu gehören vor allem der Dom San Sabino in Bari (1096), der Duomo Vecchio San Corrado in Molfetta (1150), am vollendesten wohl die Kathedrale San Valentino in Bitonto (2. Hälfte des 13. Jahrhunderts)..


Ein interessanter Fall ist der Dom San Nicola Il Pellegrino in Trani. Hier wird ein „Konkurrenzheiliger” aufgebaut: Ein zurückkehrender Pilger (pellegrino), ebenfalls des Namens Nikolaus, der in der Art seiner Verwirrtheit den Ruch eines Heiligen mit sich trägt, ist dem Bischof ein kirchenpolitisch willkommenes Instrument. 1096 Heiligsprechung des Pilgers Nicola, 1097 Baubeginn des ihm und nicht dem Bareser Nikolaus gewidmeten Domes San Nicola Il Pellegrino. Gleichwohl gehört dieser bautypologisch in die von San Nicola in Bari iniziierte Reihe. Der Dom Santa Maria Maggiore in Barletta ist wegen der langen Baugeschichte interessant: Man erkennt sehr gut die Bauphasen der normannischen Romanik wie der staufischen Gotik. So führt er in neues Kapitel der Geschichte Apuliens.

Dom Santa Maria Maggiore in Barletta (Foto: Wikipedia)
Apsis des Domes von Palermo mit den typischen normannisch-frühgotischen Formen, die auch spät wirkende arabische Einflüsse erkennen lassen.
Die Cuba ist ein Villengebäude (vom Garten ist nichts mehr erhalten) der normannischen Könige von Sizilien, gelegen südwestlich Palermos in Richtung Monreale. Es ist eines der anschaulichsten Beispiele für den arabisch-normannischen Stil.

De Geschichte der Normannen auf Sizilien entfaltet sich parallel zu der apulischen. Schon 1071 wird der Bau einer Kathedrale in Catania begonnen. 1127 stirbt das apulisch-normannische Herzogshaus aus; der sizilianische Normannenherrscher Roger II. errichtet die Monarchia Sicula und nimmt damit das neuzeitliche sog. Königreich beider Sizilien vorweg. 1130 wird er zum König gekrönt. Das Zentrum der Macht ist fürderhin Palermo. Auf Sizilien lösten die Normannen die Araber ab, adaptieren jedoch gleichwohl vieles, ja Wesentliches der arabischen Kunst und Kultur. Damit entwickelt sich die Sakralarchitektur im Unterschied zu der Apuliens auf anderen Wegen.


Gleichwohl ist es wie in Apulien auch auf Sizilien vor allem die Sakralarchitektur, die den Glanz der Normannenherrschaft widerspiegelt – im wahrsten Sinne des Wortes, wenn man sich die prächtigen Marmor- und Mosaikausstattungen der Bauten vor Augen führt. Einen Höhepunkt erlebt Sizilien unter der Herrschaft König Rogers II. (1127/30 - 1153). Die herausragenden Bauten sind die Palastkapelle (Cappella Palatina) im Normannenpalast in Palermo von 1130, und weiter 1131 die Kathedrale von Cefalù, 1132 San Giovanni degli Eremiti in Palermo, 1143 die sog. Martorana, ebenfalls in Palermo.


Unter den Nachfolgern Rogers II., König Wilhelm I. (1153-1166) und König Wilhelm II. (1166-1189), entstehen 1154-1160 San Cataldo in Palermo, 1170-1185 der Dom zu Palermo, 1174 der Dom Santa Maria Nuova in Monreale. Nun werden auch Vorstadtvillen wie die sog. Zisa errichtet, die repräsentative Prachtanlage eines nur noch bruchstückhaft erhaltenen Kranzes normannischer Villenbauten um Palermo.


Die Normannenprinzessin Konstanze von Hauteville wird mit dem Staufer Heinrich, dem zweitältesten Sohn von Friedrich Barbarossa und später Kaiser Heinrich IV., vermählt. Aus dieser Ehe geht der künftige Kaiser Friedrich II. hervor. Seine Architektur lässt sich von der der Normannen beeinflussen und übernimmt zum Teil auch arabische Elemente. Dabei wäre ein Vergleich des einzigartigen Castel del Monte mit der Zisa in Palermo aufschlussreich – Stoff für einen nächsten Vortrag!

DFF-Ansprechpartnerin Françoise Schickling Telefon: +49 (0) 6221 72 66 043 Mobil: +49 (0) 170 4074 437 E-Mail: dff-montheid@gmx.de