Oberstudienrat i. R. Klaus Weigel referierte am 16. Mai 2018 im Restaurant der Stadt-Residenz Heidelberg über den Heiligenberg. Dieser – gegenüber dem Heidelberger Schloss am Nordufer des Neckars stehende – Berg spielte seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. immer wieder eine besondere Rolle in der wechselhaften Geschichte der Region um Heidelberg.
Neben dem Gaisberg (mit dem Aussichtsturm in Gestalt eines Spiralminaretts) und dem Königstuhl (mit der auf dem Jettenbühl vorgelagerten Schlossruine) ist der Heiligenberg der dritte „Hausberg“ Heidelbergs, der wegen seiner Jahrtausende langen Nutzung und Besiedlung von besonderem historischem Interesse ist. Dabei stehen vier Epochen mit ihren Hinterlassenschaften im Mittelpunkt unseres Interesses:
Die Heidelberger Ringwallanlage aus keltischer Zeit zählt zu den größten, wenn auch nicht spektakulärsten Anlagen dieser Art in Deutschland. Es handelt sich um eine Doppelringanlage mit jeweils eigenen Zugängen. Allerdings sind die Überreste auf dem Heiligenberg teilweise nur schwer zu erkennen;
Hinweistafeln erleichtern seit einiger Zeit die Orientierung in dieser Höhensiedlung, die in der Zeit von 480 bis 280 v. Chr. ihre größte Ausdehnung hatte und bis auf die Hänge zum Neckar hin ausgriff. In dieser Zeit muss die Anlage auf dem Heiligenberg ein bedeutendes regionales Zentrum gewesen sein. Unklar ist, weshalb diese Anlage am Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. an Bedeutung verlor. Schwer zu beurteilen ist die Lage bis zur Ankunft der Römer und der Einrichtung der Provinz Germania Superior (ca. 80 n. Chr.). Sicher ist jedenfalls, dass der Heiligenberg in römischer Zeit weiterhin genutzt wurde, nicht nur als militärische Beobachtungsstation, sondern auch durch die Anlage eines Tempelbezirks. Die eigentliche römische Siedlung lag allerdings am Fuß des Heiligenbergs, im Neckartal (Neuenheim und Bergheim).
Wenn auch das römische Ladenburg (Lopodunum) neue Regionalmetropole wurde, so war doch Heidelberg (dessen römischer Name unbekannt ist) nicht nur in strategischer (zwei Kastelle, Neckarbrücke an der Süd-Nord-Verbindung), sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht wichtig: über 60 bislang nachgewiesene Brennöfen bezeugen eine Töpfereiproduktion von regionaler Ausstrahlung. Bedeutsam sind die Funde, die ein reiches kultisches Leben in Heidelberg belegen (Jupitergigantensäule, Mithrasheiligtum). Eindrucksvoll muss auch die Gräberstraße gewesen sein, die an der Ausfallstraße nach Ladenburg gelegen war. Ein Besuch im Kurpfälzischen Museum kann all dies anschaulich verdeutlichen.
Blick von der Theodor-Heuss-Brücke aus nach Neuenheim auf den 440 m hohen Heiligenberg.
Philosophengarten auf dem Heiligenberg. Von hier aus hat man einen wunderbaren Ausblick auf die Altstadt und das Schloss von Heidelberg.
Ruine des Michaelsklosters auf dem Heiligenberg.
Die „Thingstätte“ oberhalb Heidelbergs liegt im Sattel zwischen den Gipfeln des Heiligenbergs und des Michelbergs. Sie wurde nach dem Vorbild antiker griechischer Freilichtbühnen errichtet.
Nach dem Ende der Römerzeit und den „dunklen“ Jahren der Völkerwanderungszeit gibt es wieder Besiedlung auf dem Heiligenberg; in fränkischer Zeit entsteht ein Königshof, und 822 geht der Heiligenberg in den Besitz des damals überaus bedeutenden Klosters Lorsch über, das eine bereits bestehende Kirche mit der Gründung des Michaelsklosters ablöst (1023).
Es entsteht eine beeindruckende Anlage mit einer mächtigen Klosterkirche, deren Westfront heute in der Teilrekonstruktion ahnen lässt, welche Ausstrahlung und Wirkung von diesem Sakralbau ausgegangen sein mag. 1094 wird ein zweites, das Stephanskloster gegründet, dessen Steine schließlich im 19. Jahrhundert für den Bau eines Aussichtsturmes verwendet werden.
Der Heiligenberg gelangt 1460 in den Besitz der Kurpfalz, und im Gefolge der Reformation in der Kurpfalz werden die Klöster aufgehoben und keiner fortdauernden Verwendung zugeführt, so dass sie zu gern genutzten „Steinbrüchen“ werden. In den Blick gerät der Heiligenberg wieder im Gefolge der Romantik, ihrer Vergangenheits- und Naturzuwendung, aber auch im Rahmen eines überschäumenden Nationalismus, wie er sich in ganz Deutschland in ungezählten Denkmälern und Bauwerken manifestierte. In diesem Zusammenhang entsteht auch auf dem Heiligenberg eine sog. Bismarcksäule (als Aussichtsturm), geplant 1899, im Jahr nach Bismarcks Tod, fertiggestellt 1903. (Schon 1875 war im Garten des Bismarckplatzes eine Bismarck-Büste errichtet worden.)
Nicht verwunderlich ist, dass der Heiligenberg von den Nationalsozialisten zum Zwecke der ideologischen Durchdringung als Standort für den Bau einer sog. Thingstätte ausgesucht wurde. 300 - 400 Freilichtbühnen dieser Art sollen geplant gewesen sein, weit weniger wurden fertiggestellt, darunter auch die Waldbühne in Berlin und die Kalkbergbühne in Bad Segeberg (heute: Karl-May-Festspiele). Eingeweiht wurde die Heidelberger „Thingstätte“ im Beisein von 20.000 Besuchern am 22. Juni 1935 von Propagandaminister Goebbels, der ja in Heidelberg studiert und bei einem jüdischen (!) Germanistik-Professor promoviert hatte.
Schon bald allerdings erlahmte die Idee, durch Großveranstaltungen und Theaterstücke mit Massenaufgebot die propagandistische Indoktrination zu unterstützen, und die Freilichtbühnen verloren ihre Attraktivität und wurden immer weniger genutzt. Ergänzend darf vermerkt werden, dass etwa zeitgleich zur Entstehung der „Thingstätte“ auf der gegenüberliegenden Seite des Neckars (auf dem Ameisenbuckel) der Ehrenfriedhof für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs als ebenso monumentales Gegenstück entstand.